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Donnerstag, 29. Oktober 2015

Kastration beim Hund – ein heikles Thema für viele Hundehalter

zwei Labradore am See
Ist es ratsam, einen Hund kastrieren zu lassen?
Soll ich meinen Hund kastrieren lassen? Was spricht dafür und was dagegen? Und wenn ich mich dazu entschließe, wann ist der beste Zeitpunkt dafür?
Tierärzte werden sicher fast täglich von Ihren Patientenbesitzern in dieser Frage um Rat gebeten, aber auch in der Hundeschule gibt es viele Fragen rund um das Thema Kastration des Hundes.
Es gibt wichtige medizinische Gründe, die die Kastration eines Hundes richtig erscheinen lassen – bei Hündinnen ist zum Beispiel eine Gebärmutterentzündung ein Problem, das eine große gesundheitliche Gefahr für den Hund darstellt und in vielen Fällen dann eine Kastration unausweichlich ist. Auch immer wieder auftretende Scheinträchtigkeiten mit Entzündungen des Gesäuges und manchmal geradezu schweren depressiven Verstimmungen der Hündin sind sicher ein Grund, diesen Schritt zu gehen.
Auch die Kastration der Hündin als prophylaktischen Eingriff zum Schutz vor Gesäugetumoren ist ein häufig genanntes und sicher auch zu beachtendes Argument.
Bei Rüden sind ebenfalls Tumoren ein Grund, den Hund zu kastrieren ebenso wie Prostata-Vergrößerungen, Gerade bei Rüden geben die Halter aber auch sehr häufig den Wunsch nach leichterer Erziehbarkeit und weniger rüpelhaftem Verhalten als Grund für eine Kastration an. Und hier wird es aus meiner Sicht und Erfahrung als Hundetrainer schwierig. Eine Kastration hat naturgemäß grundlegenden Einfluss  auf das hormonelle Geschehen im Körper eines Hundes – zum Teil ist es auch heute noch nicht ganz klar, wie die komplexen Mechanismen aneinander beeinflussen und welche Auswirkungen dies insbesondere auf das Verhalten der betroffenen Tiere hat.
Gerade die Kastration bei Hunden, die noch nicht erwachsen sind, hat vielfältige Konsequenzen und dies nicht nur direkt im Hormonhaushalt. In der Zeit der Pubertät finden auf vielen anderen Gebieten komplexe Entwicklungsschritte statt – Herz-Kreislauf-System, der Ausbau des Nervensystems, Gehirnfunktionen, Muskel- und Gelenksapparat. Dies alles wird durch den Hormonhaushalt beeinflusst und durch eine Kastration (d.h. durch die Entfernung der Organe, die die Produktion der Geschlechtshormone übernehmen) wird auf den Hormonhaushalt INSGESAMT Einfluss genommen.
Die Kastration eines Hundes KANN bei einem Hund (Rüde oder Hündin) zu Veränderungen im Verhalten führen – sie muss es aber nicht. Und wenn sich Verhaltensänderungen einstellen, ist es schwer bis überhaupt vorherzusagen, wie diese Veränderungen denn aussehen. Es gibt keine verlässliche  Statistik, die belegt, dass Hunde durch eine Kastration GRUNDSÄTZLICH ruhiger und ausgeglichener werden. Genauso wenig ist es erwiesen, dass Rüden, die zu aggressivem Verhalten anderen Rüden gegenüber neigen, nach einer Kastration weniger Auseinandersetzungen mit anderen Rüden haben. Es kann auch das Gegenteil geschehen – das der kastrierte Rüde für intakte Rüden anders riecht und mehr als früher von ihnen bedrängt wird. Dadurch können sich die Probleme noch verstärken.
Durch einen „Hormon-Chip“ mit einer Wirksamkeit von 6 oder 12 Monaten hat der Hundehalter die Chance, die Auswirkungen einer Kastration für einen begrenzten Zeitraum „auszuprobieren“. Dies halte ich in vielen Fällen für einen guten Weg. Wenn sich der Rüde unter der Wirkung dieses Hormon-Chips „in gewünschten Art und Weise“ entwickelt, wird eine chirurgische Kastration eine ähnliche Auswirkung haben. Sollte sich die Situation unter dem Einfluss des Hormon-Chips eher verschlechtern, wird die Wirkung von ganz allein nach einigen Monaten wieder abfallen, der Hormonhaushalt des Rüden geht in den ursprünglichen Status zurück und man „nichts unwiederbringlich kaputt gemacht“.
Zusammengefasst möchte ich sagen: es gibt sicher gute Gründe für die Kastration eines Hundes (Rüde oder Hündin), aber es sollte immer der einzelne Hund betrachtet werden – eine pauschale Aussage pro oder contra ist aus meiner Sicht leichtfertig. Und es wäre sinnvoll, abzuwarten, bis der Hund erwachsen ist. Denn sonst besteht die Gefahr, den nicht unbedingt ausgeglichenen Zustand eines pubertierenden Hundes durch einen plötzlichen Wegfall der Geschlechtshormone vielleicht „einzufrieren“, was das Leben für Hund und Mensch dann nicht leichter machen wird. Eine Kastration ersetzt keine Erziehung und keine Auseinandersetzung mit dem Hund!
In diesem Sinne wünsche ich alle Mensch-Hunde-Teams eine  wunderschöne  gemeinsame Zeit!
Susanne Gerlach / Hundetraining und Verhaltensberatung